Biennale di Venzia 2009 - Teil 2

Porträts
La Vecchia
Péter Forgács' Video-Version von "Col Tempo"
Malereiliebhaber können sich im Ungarischen Pavillion „Col Tempo - The W-Project" erfreuen. Die Installation stammt von Péter Forgács der Kurator ist András Rényi. Wir werden, wie der Name schon ahnen lässt, von einem klassischen Kunstwerk begrüßt: „Col Tempo" oder auch „La Vecchia" genannt, von Giorgione. Freilich ist nicht das Original zu sehen. Um die alte Dame persönlich zu treffen muss man immer noch in die Accademia gehen. Hier haben wir es mit einer Aufnahme in einem digitalen Bilderrahmen zu tun, die Videoversion des Gemäldes. Darauf folgt sofort der nächste Klassiker, ein Selbstporträt Rembrandts. Doch bleibt diese Videoversion nicht starr. Vor unseren Augen verwandelt sich der junge Rembrandt in das Idealbild von Rembrandt: „Rembrandt morphs". Der sich anschließende Raum, die Galerie, gibt sich auf den ersten Blick wie eine traditionelle Ausstellung. In klassischen Bilderrahmen werden Porträts gezeigt, Photos. Diese bewegen sich jedoch beim genaueren Hinsehen. In den Rahmen befinden sich digitale Bildschirme.
Beim weiteren durchschreiten des W.-Projects wird die Herkunft der Aufnahmen klar. Alle ausgestellten Porträts stammen aus dem Archiv, das zwischen 1939 und 1943 von dem österreichischen Anthropologen Dr. Josef Wastl in Wien angelegt wurde. Zum Zweck von anthropologischen Diagnosen sind die Photos und Filme in ihrer Struktur standardisiert: die Bilder zeigen jeweils eine Frontal- und eine Seitenansicht; die Filme die Bewegung zwischen den Aufnahmen. Es handelt sich um Kriegsgefangene, Juden vor ihrer Deportation, Offiziere und Zivilisten. Die dramatischen Konsequenzen werden aber bewusst ausgeblendet, um den Blick auf den Anderen als Persönlichkeit zu lenken. Dieses Erbe der Europäischen Porträtkunst wird durch die Präsentation untermalt. Erst zum Ende der Ausstellung wird die Herkunft der Bilder klar, als wir die Einbettung von Wastel Projekt in den historischen Zusammenhang begreifen.
Ganz anders geartete Porträts im weitesten Sinne befinden sich im Arsenale. Direkt im zweiten Saal treffen wir auf riesige Spiegel, die zur Betrachtung des eigenen Selbstporträts einlüden, hätte Michelangelo Pistoletto nicht nach der Hängung zugeschlagen und so die „Twenty-two less two" Spiegel zum teil zerstört.
Pistoletto
"Twenty-two less two" von Michelangelo Pistoletto
Pascale Marthine Tayou porträtiert in „Human Being" gleich die ganze Menschheit. In seinem traditionellen Afrikanischen Dorf zeigt er Szenen des alltäglichen Lebens aus der ganzen Welt. Die Filmsequenzen werden auf die Fenster und Türen der Holzhütten projiziert. So schafft Tayou neue Verbindungen zwischen Formen und Geschichten, die aus grundlegend unterschiedlichen Orten und Kulturen stammen.
Human Being
"Human Being" von Pascale Marthine Tayou im Arsenale
Hingegen bleiben die beiden Spanier David Bestué und Marc Vives in ihrem Film „Acciones en casa" lieber zu Hause. Völlig unspektakulär steht der Fernseher vor wenigen Sitzgelegenheiten in einer Ecke der Arsenalehalle. Dabei wäre es schön, es sich vor dem Bildschirm ein wenig bequem machen zu können, denn die Aktivitäten der Beiden laden fast schon zu einem gemütlichen Fernsehabend ein. Dennoch beobachten wir sie gerne dabei, wie sie einen Brunnen im Spülbecken installieren, die Möbel mit dem Aufzug bewegen, sich auf Kernseife in Lebensgefahr bringen und vieles mehr.
Auch Chu Yun führt uns in seiner „Constellation" mehr oder weniger in die eigenen vier Wände. Dabei kommt er ganz ohne Film und Photos aus, dennoch benötigt er viele technische Hilfsmittel um sein Bild zu erschaffen. Die verschiedensten elektronischen Geräten die sich in fast jedem Haushalt der (westlichen) Welt finden hat er so im dunklen Raum angeordnet, dass aus den Lämpchen und Dioden ein Lichtermeer entsteht. Aus stand-by-Dioden, Kontrollleuchten an Computern, Kühlschränken, Fernsehern und vielem mehr wird so ein Kunstwerk.
Constellation
Im Gegensatz dazu kommt der Pavillon der Tschechischen und Slowakischen Republik gänzlich ohne technische Hilfsmittel aus. Selbst eine Beleuchtung ist nicht von Nöten. Einfaches Tageslicht genügt und macht dabei den Ausstellungsraum beinahe unsichtbar. Dementsprechend sind wir auch fast wieder aus dem Pavillon heraus gegangen, als wir bemerken, dass wir schon drin waren. Der Weg durch die Giardini setzt sich einfach fort. Rechts und links von ihm gibt es eine ähnliche Bepflanzung wie außerhalb des Gebäudes. Wenngleich ebenfalls keine Malerei, würde dieses Werk unserem Commissario Brunetti vielleicht ja auch gefallen … Und so hat Roman Ondák mit „Loop" ganz nach dem Thema der Biennale auch eine Welt gemacht.
Loop
Der Pavillon der Tschechischen und Slowakischen Republik mit "Loop" von Roman Ondák
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Der drittel Tel zeigt weitere Impressionen aus dem Arsenale und den Giardini

Teil 3
Verschiedenste „Porträts" der Stadt Venedig bieten die Postkarten von Aleksandra Mir. Sie laden dazu ein, mitgenommen zu werden, um den Daheimgebliebenen kurze Grüße zu senden. Aber Vorsicht, die Towerbridge steht in einer anderen Stadt!
Postkarten aus Venedig von Aleksandra Mir
Photos: © Stephan Goseberg
 
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