Biennale di Venzia 2009

Wo sind nur die Maler hin?
Die 53. Biennale di Venezia „Fare Mondi Weltenmachen" mit ihrem Kurator Daniel Birnbaum ist eine der umfangreichsten in der Geschichte dieser Internationalen Kunstausstellung. Neben dem Gelände der Giardini mit den nationalen Pavillons, gibt es die Ausstellung im Arsenale mit seinen riesigen Hallen. Weitere nationale Häuser sind ebenso in der ganzen Stadt verteilt, wie die zahlreichen „Collateral Events". Es liegt auf der Hand, dass es unmöglich ist alle Kunstwerke zu erwähnen. Bei meiner folgenden Auswahl, habe ich versucht mich auf diejenigen zu beschränken, die meine Aufmerksamkeit erregten und dennoch seltener in anderen Artikeln genannt wurden.
Als Commissario Brunetti zu einer Zeugenbefragung in einem Venezianischen Privathaushalt ist, betrachtet er ein Gemälde. Er vermutet einen Primo Potenza vor sich zu haben, einen Künstler aus der Gruppe von Malern, die wohl in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Venedig erfolgreich waren. Da fragt er sich „Wo sind all die  Maler geblieben?" Alles, was er derzeit in den Galerien zu sehen scheint, seien Video-Installationen und politische Statements in Pappmaché ausgedrückt, lässt Donna Leon ihren Hauptdarsteller im Roman « The girl of his dreams » (in Dt: Das Mädchen seiner Träume") aus dem Jahr 2008 weiter überlegen.
Als ich im Juni diesen Jahres in Venedig war und an einigen Galerien vorbei kam, hatte ich den Eindruck, dass dort schon noch Malerei angeboten wird, wenngleich häufiger von einer anderen Qualität als Primo Potenza. Mein Eindruck ist aber möglicherweise wenig repräsentativ, da ich nicht wegen der Galerien angereist war, sondern in erster Linie die Biennale di Venezia besuchte. Auch dort war Malerei in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen zu sehen. Die Schweizer zeigten mit Silvia Bächli ebenso eher Tafelbilder, wie auch die Spanier mit einer Miquel Barcélo-Retroperspektive.  Die Wände des Österreichischen Pavillons wurden mit „Taboo Tabou" von Elke Krystufek gestaltet.
Miquel Barcélo
Taboo Tabou
Keramiken und Gemälde von Miquel Barcélo im Spanischen Pavillon
"Taboo Tabou" von Elke Krystufek im Österreichischen Pavillon
Selbst die, meiner Meinung nach mithin spannendste Installation „The Collectors" der Kuratoren Elmgreen und Dragset im Dänischen und Nordischen Pavillon bezogen diese klassische Kunstgattung mit ein. Jedoch wird die diesjährige Biennale insgesamt wesentlich mehr von Installationen und Video-Projektionen beherrscht.
Slyngstad
The Collectors
Der Dänische Pavillon (oben) ist zu verkaufen und der Nordische Pavillon (links) sicher auch bald ... In beiden Gebäuden gibt es auch klassische Malerei, wie z.B. hier von Vibeke Slyngstad.
Sicher wäre es interessant zu wissen, wie Commissario Brunetti über den Polnischen Pavillon „Ospiti / Guests / Gośie" von Krzysztof Wodiczko denken würde. Thematisch passt er ganz gut zum Thema des eingangs genannten Krimis. Hinter Milchglasscheiben sprechen Menschen über Immigranten, Menschen die, da sie nicht zu Hause sind 'ewige Gäste' bleiben. Da erzählt u.a. Antun aus Ex-Jugoslawien von den Roma in Italien, die seit vier Generationen in Rom leben und immer noch keine Aufenthaltsgenehmigung haben. In der Konsequenz wird das intellektuelle und kulturelle Leben der Kinder mit 14 Jahren blockiert, da sie in diesem Alter die Schule verlassen. Der Zugang zur Universität ist ihnen aufgrund ihres Status verwehrt.
Guests
Guests
„Ospiti / Guests / Gośie" von Krzysztof Wodiczko im Polnischen Pavillon
Neben der politischen Botschaft, ist die Installation selbst interessant: der Ausstellungsraum des Polnischen Pavillons hat in Wirklichkeit keine Fenster. Das, was wir sehen sind Video-Projektionen. Auch wenn dies schnell offensichtlich wird, irritiert es trotzdem, wenn die dargestellten Fenster von den Menschen dahinter geputzt werden. Dieser Effekt ist insbesondere bei dem „Fenster" in der Decke des Raums gegeben.

Während der Russischen Pavillon 2007 „Click I Hope" ebenfalls per (Video-) Installationen vor Augen führte, was es heißt im Zeitalter eines konstanten Bombardements durch Medien und einer andauernden Internetverbindung zu leben, wirkt die diesjährige Gruppenausstellung zunächst mehr den traditionellen Kunstgattungen verbunden.
Aber schon der Titel „Victory Over the Future"
sollte uns warnen. Wenngleich die Bilder von Pavel Pepperstein auf den ersten Blick noch „herkömmlich" scheinen, belehren uns die musikalische Untermalung und die Bildinhalte schnell eines besseren: Wir sind in der Zukunft angekommen!

Auch Alexei Kallima zeigt, wie Malerei in die zeitgenössische Kunst überführt werden kann. Wir kommen in einen Raum mit einem Wandgemälde, von einem Stadium? Doch dann scheint die Malerei lebendig zu werden. Jubeln uns die Zuschauer zu? Der Lärm schwillt an, um dann zu ersterben und auch das Publikum verschwindet und der Raum ist weiß. Es handelt sich wieder einmal um eine Projektion, diesmal eben von Malerei.
Alexei Kallima
"Rain Theorem" von Alexei Kallima im Russischen Pavillon
Der russische Künstler Andrei Molodkin verweist noch anders auf die traditionelle Kunst. Das Modell alleine, die Nike von Samothrake wurde als Kunstwerk der Antike von Künstlern immer wieder gerne zitiert. Wie Warhol gibt sich Molodkin nicht nur mit einer Version zufrieden sondern pumpt gleich in zwei Niken verschieden Flüssigkeiten. Damit nicht genug: der Vorgang wird per Video auf die Wände projiziert!
Molodkin
Molodkin
Hingegen reist Gosha Ostretsov scheinbar in die Vergangenheit. Seine zunächst düstere Installation wirkt wie ein Bergwerk. Doch wagt man sich hinein, geht in der Holzbalkenkonstruktion das Licht an. Dennoch bleibt es etwas unheimlich. Aus den Jacken die an den Wänden hängen kommen Hände hervor, die die Bilder an der Wand bewegen. Tief im inneren sitzt ein Mann, scheinbar dem Wahnsinn verfallen: er malt pausenlos Kreise auf ein Blatt Papier. 
Ostretsov
Ostretsov
Ostretsov
Andrei Molodkin interpretiert die Nike von Samothrake
Gosha Ostretsov
Der zweite Teil führt in den Ungarischen Pavillion, den Pavillon der Tschechischen und Slowakischen Republik und auf das Arsenale-Gelände.


Teil 2
Photos: © Stephan Goseberg
 
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