Die Demoiselles von Vallauris
Wenn man in diesem Sommer aus Richtung Golfe Juan nach Vallauris kommt, kann man am Picasso-Kreisverkehr eine Skulptur sehen, die sich diskret auf der Wiese vor einem Gebüsch befindet: eine Dame in betongrau. Ihre Figur ist stämmig, aber ohne Bauch - Roudoubouldour. Ein wenig weiter, am zweiten Kreisverkehr, gibt es eine weitere Frau, noch korpulenter, in kräftigen Gelb- bis Rottönen gestaltet. Die Odalisque En Automne (Odalisque im Herbst) hat es sich auf ihrem Sockel gemütlich gemacht.
Roudoubouldour
Texte: Astrid Gallinat im Juli 2011

Lektor: Stephan Goseberg

Photos: © Astrid Gallinat



© ARTIFICIALIS 2011
Roudoubouldour
120 x 70 x 240 cm
Odalisque en Automne
Odalisque en Automne Rücken
Odalisque En Automne
190 x 70 x 165 cm
Von einer anderen Seite, von der Route de Saint-Bernard in die Stadt kommend, an der neuen Kreuzung Avenue du Générale de Gaulle / Chemin Notre-Dame, begrüßt uns eine recht laszive Dame. L'Allongée (Die Liegende) zeigt sich in schwarz, blau und grün, mit einer Gesichtshälfte in Schwarz, der anderen in Gold. Trotz ihrer massigen Formen, besitzt die Skulptur eine Leichtigkeit durch ihre Körperhaltung. Zusätzlich schwebt sie förmlich ein wenig über ihrem Sockel.
Allongée
L'Allongée
200 x 80 x 150 cm
Während eines Spaziergangs in Vallauris, werden diese drei Frauen nicht die einzigen sein, denen wir begegnen. Das Stadtzentrum ist mehr oder weniger von Damen aus Beton besetzt. Auch vor dem Château-Musée (Place de la Libération) befindet sich eine sinnliche Muse. Es ist noch eine Odalisque, dieses Mal in Brauntönen dekoriert. Le jour et la nuit (Der Tag und die Nacht) ist auf dem Place de la Miséricorde aufgestellt, rechts neben dem Eingang zur Kapelle. Zwei engelhafte Athénas lachen uns auf der Avenue George Clémenceau an, vor der Galerie Egee und vor der Galerie Sassi-Milici. Währenddessen tummelt sich auf dem Place Cavasse, vor dem Rathaus eine ganze Gruppe von graziösen Schönen. Anscheinend zu einem kleinen Plausch versammelt gruppieren sich mehrere Athénas um die Skulptur mit den blauen Strümpfen (Les Bas Bleus), begleitet von Volieren (Volières).
Odaliske
Odalisque
190 x 70 x 165 cm
Der Tag und die Nacht
Athena Roter Engel
Athena Nathalie
Le jour et la nuit
120 x 70 x 240 cm

Athéna L'ange rouge
90 x 30 x 180 cm

Athéna Nathalie
90 x 30 x 180 cm
Place Cavasse
Die Demoiselles
auf dem Place Cavasse
Aber woher kommen all diese Damen? Es handelt sich um die Ausstellung « Statues monumentales de Roger Capron » (in etwa « Große Skulpturen von Roger Capron »), die im öffentlichen Raum von Vallauris aufgestellt ist. Roger Capron war einer der großen Keramiker der Stadt in ihrem goldenen Zeitalter, bis in unsere Tage hinein. 2006 verstorben, befasste er sich in seinen letzten Lebensjahren damit, freistehende Skulpturen zu schaffen. Ausgeführt in Keramik und von seiner Frau Jacotte Capron farblich gestaltet, hatten Roger Capron und sein Freund Reinhold Harsch die Idee, diese Skulpturen in Beton zu vergrößern, um sie in Gärten, Parks und auf öffentlichen Plätzen auszustellen. Das erste Werk wurde noch unter der Aufsicht des Künstlers selbst umgesetzt. Die betonfarbene Allongée befindet sich heute in einer Fassung in einem Privatpark in Aix-en-Provence (Frankreich), die andere in Ebersbach (Deutschland) bei Reinhold Harsch.

Für diese Ausstellung in Vallauris haben Reinhold Harsch und Jacotte Capron zusammen gearbeitet. Die Skulpturen wurden von der Firma Reinhold Harsch Kunst GmbH angefertigt, also ist Herr Harsch der Verleger. Sie sind eine dreimalige Vergrößerung vom Original. Anschließend kolorierte Jacotte sie, so wie sie es auch bei den Skulpturen ihres Mannes gemacht hatte. Und Roger Capron? Man könnte vermuten, dass er zu dieser Ausstellung augenzwinkernd seinen Lehrmeister René Gabriel zitieren würde « faire du beau à la portée de tous » (in etwa: « etwas Schönes für Alle erreichbar zu machen »).
Voliere
Volière
120 x 40 x 240 cm
La Bas Bleue
Les Bas Bleus
230 x 50 x 115 cm
Ausstellung:

« Statues monumentales de Roger Capron »
bis 7. November 2011
24 Stunden täglich geöffnet
auf den Straßen und Plätzen von Vallauris
Kurator: Fréderik Ballester



Ebenfalls zu empfehlen:

Ausstellung:

« Roger Capron, cet inconnu »
bis 7. November 2011
bis 31. August täglich 10 h - 19 h
1. bis 15. September (außer dienstags)
10 h - 12h und 14 h - 18 h
(17 h ab 16. September)
Musée Magnelli, Musée de la Céramique (Château-Musée)
Salle Eden
Place de la Libération
Vallauris

Fassadendekoration:

Drei Skulpturen von Roger Capron
an der Fassade des
Espace Loisirs F. HUGER
Avenue J. UGO
Vallauris
Ausstellungsplan
Ausstellungsplan
Roger Capron

1922 in Vincennes geboren, war Roger Capron zunächst an Zeichnungen interessiert. So studierte er an der Ecole des Arts Appliquées in Paris (1938 - 1943) und wurde dort ab 1945 Zeichenlehrer. Bald entdeckte er die Keramik und ließ sich 1946 in Vallauris nieder. Ein Jahr später gründete er mit Robert Picault ein eigenes Keramikatelier. Jean Derval schloss sich ihnen an. Ihre Produktion bestand hauptsächlich aus  dekorativer Gebrauchskeramik.

Nach der Trennung von Picault und Derval gründete er 1952 eine Keramikfabrik, mit einer kleinen Serienproduktion, im gleichen Stil wie zuvor. 1955 kam die Produktion von Kacheln und Tischen hinzu. Er heiratete « Jacotte » die seine Mitarbeiterin wurde.

Zwischenzeitlich stellte Roger Capron erfolgreich seine Werke aus, die im In- und Ausland ausgezeichnet wurden. Er intensivierte seine Produktion von Kacheln und dekorativen Tafeln, die eine erste Krönung mit dem Auftrag eines Frieses für den Hafenbahnhof von Cannes erhielt (heute nicht mehr erhalten). Es folgten viele weitere Aufträge für Architekturdekorationen. So konnte sich sein charakteristischer Stil in bunten, reinen Farben klar erkennbar werden.

Trotz seines künstlerischen Erfolges, zwang die ökonomische Situation ihn 1982 den Betrieb seiner Firma einzustellen und sämtliche Produktionsmittel, sowie seine Marke - die sein Name war - zu veräußern. 1988 versuchte er sich in einer neuen Linie bei Marazzi in Sassuolo (Italien) und träumte von einem Venezianischen « Cabinet », was ihn zu Keramikinkrustationen in gelackten Holztafeln inspirierte. In dieser Zeit begann er auch mit der Kreation von allansichtigen Skulpturen, die nur als Einzelstücke konzipiert waren.

Schließlich konnte Roger Capron 1991 ein neues Atelier in Vallauris eröffnen, begleitet von seiner Frau und Koloristin Jacotte sowie Jean-Paul Bonnet,  der seit jeher sein Mitarbeiter war. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Zunächst stellte er in der Galerie Sassi-Milici in Vallauris aus, anschließend auch in Paris und New York, aber insbesondere in Deutschland, nachdem er 1993 Reinhold Harsch getroffen hatte.

Auch nach seinem Tod 2006 gibt es immer wieder Ausstellungen. 2011 sind ihm gleich zwei in Vallauris gewidmet: « Roger Capron, cet inconnu » (Roger Capron dieser Unbekannte) im Château-Musée und « Statues monumentales de Roger Capron » (in etwa « Große Skulpturen von Roger Capron ») im öffentlichen Raum von Vallauris.

Weitere Informationen:

http://www.rogercapron.com

http://www.harsch-fliese-stein.de